Mamma Mia! Tecklenburg © Bastian Zimmermann
Mamma Mia! Tecklenburg © Bastian Zimmermann
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Premiere von „Mamma Mia!“ bei den Freilichtspielen Tecklenburg 2024

Einfach göttlich: ABBA im griechischen Olymp

2024 gibt es das Freilichttheater Tecklenburg seit genau 100 Jahren. 1924 als Heimatfestspiele über eine Bürger- und Kulturinitiative gegründet und jetzt als Verein organisiert, hat sich der Standort zu einem der führenden Freilichttheater Deutschlands entwickelt. Dass jetzt in Tecklenburg Musicals auf dem Spielplan stehen, verdanken wir Radulf Beuleke, der als ehemaliger Lehrer für Deutsch, Englisch und Theater 1977 als Chorsänger bei den Freilichtspielen anfing und über den Chorsprecher und Mitglied im Vorstand des Trägervereins schließlich 1992 den Vereinsvorsitz übernahm und ehrenamtlicher Intendant wurde. Weg von Sprechtheater und Operette hin zu professionellen Musicalproduktionen mit neu konzipierter Bühne und Zuschauerraum war sein Programm. Für seine Verdienste um die westfälische Kulturlandschaft erhielt Radulf Beuleke 2009 das Verdienstkreuz am Bande der Bundesrepublik Deutschland. Zur 100-Jahrfeier der Freilichtspiele, die am 14. Juni 2024 in einem Festakt gewürdigt wurde, erfüllte sich mit der Premiere eines der erfolgreichsten Musicals der Welt am gleichen Abend ein Wunsch der Familie Beuleke: „Mamma Mia!“ erstmalig in Deutschland in einer freien Open-Air Inszenierung zu präsentieren.



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Regie, Kostüme, Bühne und Musik

Regisseur Ulrich Wiggers, der das Stück bereits durch seine Karriere als Schauspieler in der Rolle des Bill am Hamburger Operettenhaus und später auf internationaler Tournee wie die eigene Westentasche kennt, war vom Lizenzgeber vor die herausfordernde Aufgabe gestellt worden, eine neue Version zu gestalten, die sich maßgeblich von der „Original“-Inszenierung unterscheidet. Und so entwickelte Wiggers ein Regiekonzept, das das moderne Griechenland mit seinen antiken Sagen verknüpft und die Handlung auf einer griechischen Insel perfekt in diesen Rahmen stellt. Zusammen mit Kostümbildnerin Fabienne Ank, die ein gutes Auge für Farbwirkung hat und das Ensemble in sehr farbharmonische Kostüme steckt, und Bühnenbildner Jens Janke verwirklichte das Kreativteam ein Set an ausdrucksstarken Bildern, das wunderbar funktioniert und nie aufgesetzt oder konstruiert wirkt. Die Details faszinieren von der ersten Minute, wenn Sophie die Einladungsbriefe zu ihrer Hochzeit an ihre drei potenziellen Väter nicht einem Briefkasten, sondern einer lebendigen Statue des Götterboten Hermes übergibt. Der Junggesellenabschied von Sky findet als Themenparty in sexy Tuniken griechischer Halbgötter statt, die Herkules blass aussehen lassen und mehr als einen bloßen Ersatz der Tauchanzüge mit Schwimmflossen des „Originals“ darstellen. Richtig genial wird es in Sophies Albtraumsequenz, wenn Mutter Donna als Kriegsgöttin Athene auf einem Sockel hereingefahren wird und Moderne und Antike in der energiegeladenen Choreografie von Francesc Abós im Finale des ersten Aktes verschmelzen.
Das funktioniert alles deshalb so ausgesprochen gut, weil Giorgio Radoja als musikalischer Leiter des voluminösen und kraftvollen Orchesters der Freilichtspiele Tecklenburg die Welthits von Björn Ulvaeus und Benny Andersson im genialen Buch von Catherine Jonson so selbstverständlich mit den deutschen Songtexten von Michael Kunze präsentiert, dass man immer das Gefühl hat, Benny und Björn hätten die Lieder exklusiv für das Musical geschrieben, was „Mamma Mia!“ für mich zum besten Compilation-Musical überhaupt macht. Und das Publikum geht mit jedem Song mit, was auch der handverlesenen Besetzung geschuldet ist.

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Die Darsteller und Ihre Rollen

Celena Pieper (Sarah in „Tanz der Vampire”, Anna in “Die Eiskönigin”) ist eine jugendliche Sophie, die mit ungetrübtem Enthusiasmus und warmer Herzlichkeit aus drei möglichen Kandidaten den Samenspender ihrer Existenz mit detektivischer Raffinesse zu entlarven versucht und dabei den Fokus ihrer eigenen Hochzeit völlig aus den Augen verliert. Andrew Chadwick als ihr Verlobter Sky hat kaum eine Chance, diesem Duracell-Häschen das Wasser zu reichen, er bleibt – wie vom Buch gewollt – nur eine Randfigur. Anders als die drei möglichen Väter, die von ihrer neuen Rolle als potenzielle Daddys einer erwachsenen und selbstbewussten jungen Frau bei ihrer Ankunft auf der griechischen Insel keinen blassen Schimmer haben. Da ist der top gestylte Börsenmakler Harry, von Alexander Di Capri (früher Sam oder Bill in „Mamma Mia!“) gespielt, dem man seine Jugendsünden als „Headbanger“ nicht abnehmen will und ihn mit Gitarre eher als romantischen Minnesänger einordnet. Oder der gemütliche Berliner Journalist Bill, der früher als Indiana Jones-Verschnitt den Globus bereiste und die unglaublichsten Reiseberichte verfasste, herrlich tollpatschig interpretiert von Publikumsliebling Benjamin Eberling („Hairspray“, „Sister Act“). Und zu guter Letzt Architekt und Ex-Familienvater Sam, der Sophies Mutter vor 20 Jahren das Herz gebrochen und deshalb striktes Einreiseverbot auf die Insel hatte, auf der er als junger Mann ein Hotel als seinen Lebenstraum entworfen hat. Oliver Arno (Joe in „Sunset Boulevard“) hat somit den schwersten Stand, sich einen Weg zurück in Donnas Herz zu bahnen, was ihm aber schließlich mit Bravour dank seines Wiener Charmes auch gelingt.

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Wietske van Tongeren als Donna

Während die drei Herren in den Augen der Brautmutter ungeladene Gäste zur Hochzeit ihrer Tochter sind, gilt dies für die beiden Jugendfreundinnen und Ex-Mitglieder der Frauen-Power-Gesangs-Combo „Dynamos“ nicht, sollen sie Donna doch mentale Kraft geben, um die in ihren Augen übereilte Heirat ihrer Tochter zu ver- und überstehen. Rachel Marshall („Cats“, „Miami Nights“) spielt als Tanja die ihr auf den Leib geschneiderte Rolle einer männerverschlingenden, reich-verwöhnten Luxus-Lebedame, die in ausgefeilter Choreografie den armen Pepper alias Nicolai Schwab („Harry Potter und das verwunschene Kind“, „Hello Dolly“) bei „Wenn das Mami wüsst“ zum Nachtisch vernascht. Navina Heyne („Der Besuch der alten Dame“, „Die 3 Musketiere“) ist als Rosie das genaue Gegenteil von Tanja: Aquarius-Hippie mit Räucherstäbchen, Klangschale, Yoga-Matte mit dreifachem Ökosiegel und garantiert biologisch abbaubar.
Doch obwohl alle Charakterrollen liebevoll bis in die Haarspitzen ausgearbeitet sind, stielt Wietske van Tongeren („Elisabeth“, „Rebecca“, „Mozart!“) als Idealbesetzung der Donna allen die Show! Und das, obwohl sie 2007 in einem Interview mit der „Blickpunkt Musical“ gesagt hat: „Es gibt sicherlich viele Leute, die mögen „Mamma Mia!“, aber ich sehe mich nicht selbst in so einem Stück.“ Diese Meinung hat Wietske van Tongeren komplett revidiert und ist Ulrich Wiggers dankbar, endlich einmal statt immer nur Drama eine echte „Feel-Good Rolle“ spielen zu dürfen. Aber ihre Donna ist viel mehr als eine Super-Trooper, Friede-Freude-Eierkuchen Dancing-Queen, sie ist auch Drama-Queen. Schon ihre energiegeladene Uptempo-Nummer „Money, Money, Money“ zeigt, wie schwer das Leben als alleinerziehende Mutter und Hotel-Chefin ist. Doch auch die leiseren Töne beim Rückblick auf die Erziehung ihrer Tochter „Durch meine Finger rinnt die Zeit“ kann man kaum gefühlvoller interpretieren, während es schon kurz danach beim kraftvoll geschmetterten Showstopper „Der Sieger hat die Wahl“ keinen Zuschauer mehr auf den Sitzbänken hält.



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Urlaubsstimmung und ausverkaufte Shows

Leider kann ich nicht das gesamte Ensemble erwähnen, doch die restlichen, insgesamt rund 50 Mitwirkenden der Show inklusive Statisterie, verbreiten singend und tanzend eine Urlaubsstimmung, die elektrisierend ansteckend ist und das Publikum aus 2300 Zuschauern der ausverkauften Vorstellungen mitreißt. Schon vor der Premiere waren die Tickets für die 28 regulären Vorstellungen von „Mamma Mia!“ sehr gut verkauft, so dass bereits zwei Zusatzvorstellungen anberaumt wurden. Und so wird das Happy-Sommer-Musical völlig zu Recht zur erfolgreichsten Produktion in 100 Jahren Geschichte der Freilichtspiele Tecklenburg – „Danke für die Lieder“, die noch lange nach dem frenetischen Schussapplaus in uns klingen!

© by Stephan Drewianka, Musical-World.de; © Fotos: Stephan Drewianka, Bastian Zimmermann; dieser Bericht erschien ebenfalls in der Musical Fachzeitschrift Blickpunkt Musical Ausgabe 04-24, Ausgabe 130

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