Sister Act Tecklenburg © Bastian Zimmermann
Sister Act Tecklenburg © Bastian Zimmermann
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Musical Sister Act auf der Freilichtbühne Tecklenburg

Diese himmlischen Schwestern muss man einfach lieben!

Hätte die Premiere des Gute-Laune-Musicals „Sister Act“ vor zwei Jahren stattfinden können, wäre dies die erste Freilicht-Adaption des Films mit Whoopie Goldberg aus dem Jahre 1992 gewesen. Doch Corona machte den Freilichtspielen Tecklenburg einen Strich durch die Rechnung und mit dem Titel der ersten Open-Air Inszenierung konnte man sich zur Premiere am 24.06.2022 nicht mehr schmücken. Ebenfalls Geschichte nach der langen Zwangspause war die ursprünglich geplante Besetzung (u.a. mit Pia Douwes als Mutter Oberin), aber wie immer machte man im Münsterland aus der Not eine Tugend. Die unter der genialen Regie von Werner Bauer entstandene Version besinnt sich auf die Kernaussage des Musicals, dass Freundschaft und Liebe wichtiger sind als weltliche Werte, und dies ist in Zeiten von Krieg und Inflation eine willkommene Abwechslung vom manchmal angsteinflößenden Alltag.
So trumpft die Tecklenburger Inszenierung nicht mit einem überschwänglichen Bühnenbild (Jens Janke) auf, das zwar mit einem Auto und einem Papstthron Highlights setzt, ansonsten aber mit drehbaren Kulissen „nur“ die verschiedenen Spielorte von Nachtclub, Polizeirevier, Gangsterunterschlupf und dem spartanischen Nonnenkonvent inklusive Turm mit Kirchenfenster zeigt, jedoch auf weiteren Glitzer-Schick-Schnack verzichtet. Ähnlich sieht es bei den Kostümen (Karin Alberti) aus, die herrlich im 70er Jahre Stil gehalten sind, aber selbst im Finale mit den Disco-Nonnenoutfits nicht maßlos übertreiben. Im Vordergrund stehen vielmehr die bestens gezeichneten Charaktere, die zunächst jedes Klischee bedienen, dann aber individuell über sich hinauswachsen.
Das Gangster-Quartett aus TJ (Florian Albers), Joey (Benjamin Eberling), Pablo (Mathias Meffert) und Ernie (Julian Schier), das wie eine Parodie der Marx Brothers wirkt, werden vom schleimigen Gangsterboss Curtis Jackson (Martin Pasching) per illegalem Schusswaffengebrauch um Eins dezimiert. Zufällige und unfreiwillige Zeugin ist Nachtclubsängerin und Boss-Freundin Deloris Van Cartier (Peti van der Velde), die daher mit Hilfe ihres Jugendfreundes und Polizisten Eddie Fritzinger (Fabio Diso) im Zeugenschutzprogramm in einem Kloster untertauchen muss. Unter dem strengen Regiment der Mutter Oberin (Masha Karell) hat Deloris bei spartanischer Kost so gar keine Freude am religiösen Klosterleben, bis sie nicht zuletzt mit dem Segen des Möchtegern-Elvis Monsignore (Andreas Goebel) die Leitung des Kirchenchores übernimmt und die sinkenden Besucherzahlen in der von der Schließung bedrohten Kirche durch ihre nicht immer himmlisch-inspirierten, rockigen Gospel-Songs zu Rekordzahlen anwachsen lässt, bis sogar der Papst und leider auch der Gangsterboss Wind von der falschen Ordensschwester bekommen.

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Jede der zehn Schwestern Mary … darf ihre schrulligen Eigenheiten detailreich ausspielen, die dabei irgendwie verblüffend an Disneys sieben Zwerge erinnern. Es ist eine Freude, der immer gut gelaunten Happy-Schwester Mary Patrick (Jennifer Kohl) im Gegensatz zu Brummbär Ex-Chorleiterin Mary Lazarus (Mona Graw) auf ihrem Weg zum Chor-Olymp zu folgen, während Schlafmütz Mary Nirvana (Regina Venus) den Heiland im Jenseits sieht oder Gold-Kehlchen Pimpel Mary Robert (Katia Bischoff) noch Zweifel hegt, überhaupt das Gelübde abzulegen. Schön herausgearbeitet wurde der Zwist zwischen Chef Mutter Oberin und Nachtclubsängerin Deloris, bei der die Eine ihr strenges regelkonformes Traditionsdenken lockern muss und die Andere lernt, dass Freundschaft und Nächstenliebe weit über Geld und Ruhm hinausreichen. Die Chemie zwischen Masha Karell und Rock-Röhre Peti van der Velde ist hervorragend aufeinander abgestimmt genauso wie das perfekte Comedy-Timing aller Schwestern. Und der Gesang ist tatsächlich himmlisch, auch wenn der unvorbereitete Zuschauer die originalen Songs aus dem Film inklusive „I will follow him“ vermissen könnte, denn im Musical gibt es die speziell von Alan Menken geschriebene Musik, die sich aber unter der musikalischen Leitung von Giorgio Radoja und der schmissigen Choreografie von Till Nau hören und sehen lassen kann. 

Nach all der Nonnenpower muss noch Sunnyboy Fabio Diso als Schwitze-Fritze lobend erwähnt werden, dessen zwei Quick-Changes auf offener Bühne vom Polizisten zum Saturday-Night Fever-Verschnitt überraschen und seinen Wandel vom vor Waffen ängstlichen Cop zum rettenden Helden im Finale widerspiegelt. Da wirkt es fast unglaubwürdig, dass Deloris so lange braucht, um dem Traum jeder Schwiegermutter endlich in die Arme zu fallen.
„Sister Act“ in Tecklenburg ist leichte Unterhaltung mit Tiefgang, liebenswerten Charakteren und mitreißender Musik. Wenn so Religion funktionieren würde, wären unsere Kirchen voll - so ist es zumindest die Freilichtbühne Tecklenburg!

© Text: Stephan Drewianka; Fotos: Stephan Drewianka, Bastian Zimmermann; dieser Bericht erschien ebenfalls in der Fachzeitschift Blickpunkt Musical 4-22, Ausgabe 118

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